Museen zwischen Forschung, Bildung, Tourismus und
Kommerz -
Plädoyer für eine Dialogkultur
von Arnold Vogt, Leipzig
(Einleitung:)
Dieser Beitrag ist auf Anregung des Sächsischen Museumsbundes
entstanden. Erwünscht war ein einführender Bericht zur aktuellen
Diskussion über "Museen und Tourismus, Gemeinsamkeiten und Gegensätze".
Dazu sollen zunächst Grundzüge der aktuellen Debatten und das
übergreifende Beziehungsgefüge dargeboten werden: "Museen zwischen
Forschung, Bildung, Tourismus und Kommerz", um anschließend einige
Aspekte der Praxis aufzugreifen. Dies betrifft die Museen einerseits in
ihrer Bedeutung als öffentliche, quellenbewahrende Institutionen mit
ihrer klassischen Verantwortung für die authentischen Sammlungen,
das kulturelle Erbe - und andererseits die teils kommerziellen Anforderungen
des Tourismus. Es geht also wesentlich um ein Spannungsfeld von Partnern
mit teils gemeinsamen, teils aber auch divergierenden, bzw. unvereinbaren
Interessen. Aus diesem Grunde sollen Positionen beider Seiten bedacht werden,
außerdem einige aufschlußreiche Fragen aus der einschlägigen
Diskussion aufgegriffen werden, ansatzweise auch Antworten, um daraus Rückschlüsse
zu ziehen für die Beurteilung der Praxis.
In der Museumspraxis stellen sich Fragen an den Tourismus resp. die
Tourismus-Branche hauptsächlich in vier Bereichen:
1. in Museumsmanagement und Museumsleitung, um das Museum im betroffenen
übergreifenden Interessengeflecht, dem wirtschaftspolitischen und
kulturpolitischen Beziehungsgefüge zu verorten und dabei auch die
museumspezifischen Anforderungen zu behaupten,
2. in der Museumsverwaltung, um die Statistik zu führen, um institutionelle,
organisatorische, insbesondere betriebswirtschaftliche Konsequenzen aufeinander
abzustimmen,
3. in der musealen Öffentlichkeitsarbeit, um die Zusammenarbeit
mit Partnern der Tourismus-Branche konkret zu vereinbaren und konsequent
umzusetzen, - und
4. in Museumspädagogik bzw. Besucherdienst, um Touristen vor Ort
unmittelbar mit qualifizierten zu begleiten und zu betreuen.
Die Bedeutung des Tourismus nach Besuchszahlen und deren divergierende
Auswertung
(Schlagworte)
Touristen als zweitstärkste Besuchergruppe
Besucher oder Kunde?
Was ist Zielgruppendenken wert?
Bewegen in Szenen
Kümmern um Adressaten
Bedeutung der Besucherzahlen
Museumsarbeit im Wandel: Perspektiven des neuen Museumsmarketings
Folgen kommerzieller Orientierung
Umwerben von Besuchern
Museumsarbeit wird zur Disposition gestellt.
Einbindung von Ausstellungen in langfristigen Kampagnen
Beispiel: CranachKampagne im Sommer 1994
Großprojekte von Freizeit- und Erlebnisparks reichen bis in die
Museumspraxis
Museen als bloße Zubringer der Tourismus-Branche
Den eigenen Standpunkt musealer Interessen klar definieren und vermitteln.
Wachsende Bedeutung des Museumsmarketings
Keine einmaligen und keine neuen Auseinandersetzungen
Verhältnis von kommerziellen und öffentlichen Anforderungen
"Produkteplan"
Beispiel Werbung
"Was haben Kunst und ... gemeinsam?
Einfluß der Museen und ihrer Bildungsarbeit
"Versöhnung von Markt und Ethos" ?
Versöhnung von Tourismus und Museum
Vorzüge der Museen erkennen und bewußt machen
Die wirkliche Welt des Museums in der virtuellen Welt der Medien
- Die Einheit der musealen Aufgaben
Drang nach digitaler Verfügbarkeit musealer Bestände
Aktuelle Diskussion über "Leitbilder" für Museen und ihre
Produkte
Unverwechselbares Profil der Museumsarbeit verankern
Zusammenfassung:
1. Angesichts der emotionalisierten Debatten scheint Versachlichung
besonders wünschenswert. Berührungsängste oder bloße
Abgrenzung gegenüber dem Tourismus sind sicher keine Lösung.
Der Tourismus ist einer der stärksten Wirtschaftspartner für
Museen. Unter den maßgeblichen Fachmessen sind es vor allem die Tourismus-Messen,
die den Museen vorrangig ein Forum bieten mit eigenen Messe-Ständen,
zahlreichen Informationsbroschüren, ebenso als Sponsor. Aber auch
unabhängig davon, über den Museumshorizont hinaus erweist sich
die hervorragende Bedeutung des Tourismus. Er ist unbestritten ein maßgeblicher
ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklungsmotor, in manchen
Regionen sogar die einzige wirtschaftliche Grundlage. Urlaubsreisen und
Autobesitz gelten im bundesdeutschen Freizeitverhalten und Lebensstil als
unverzichtbar.
2. Manche Probleme beruhen auf den unterschiedlichen Arbeitsrhythmen.
So fragen Tourismus-Planer mit zweijährigem Vorlauf nach verbindlichen
Informationen über Sonderausstellungen, Termine und viele Details,
die sie für Prospekte, Broschüren, langfristige Maßnahmen
benötigen, um ihre "Produkt"-Linie zu entwickeln. Andererseits fehlt
den Museen eine entsprechende Sicherheit, und es ist oft ungewiß,
ob Ausstellungspläne überhaupt verwirklicht werden können.
3. Ein noch tieferes Problem liegt in den unterschiedlichen Sprachen
und Mentalitäten. Hier ist ein Dialog mit der Tourismus-Branche vonnöten,
der die Rede zum Beispiel von Kultur- und Museums-"Produkten" nicht gleich
als Verrat an Museen oder Kultur beargwöhnt, sondern die Bedürfnisse
der anderen Seite respektiert, ohne das eigene Profil aufzugeben.
4. Ein intelligentes Marketing ist zu wünschen zu beiderseitigem
Vorteil, bei dem Touristen nicht nur als "Fremdkörper" in Museen geduldet,
sondern mit einer differenzierten, "buchbaren" Angebotspalette musealer
Leistungen angeregt werden. Schließlich sind Marketing-Strategien
nicht per se als schlecht und kulturwidrig zu verwerfen. Deshalb bedarf
es differenzierter Angebote für Touristen. Aber auch dies kann nicht
im Alleingang gelingen, sondern bedarf des kontinuierlichen Dialogs.
Ein wesentlicher nicht zu unterschätzender Vorteil liegt bei den
Museen. Sie bewahren, was den Tourismus anregen kann: die Authentizität
der Sammlungen, die Aufrichtigkeit und die Glaubwürdigkeit des Echten.
Gerade im Zeitalter der Medien sind das ganz herausragende unverwechselbare
Werte. Mit diesen Pfunden können die Museen in der Diskussion mit
dem Tourismus und Kulturmarketing wuchern.
43 Anmerkungen
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